Traumata_und_Borderline

Die Borderline-Persönlichkeitsstörung ist eine sehr komplexe psychische Erkrankung, die selten auf eine eindeutige Ursache zurückzuführen ist. Doch ein Aspekt, der in der Behandlung immer noch häufig übersehen wird, ist die enge Verbindung zwischen Borderline und früheren traumatischen Erfahrungen. Viele Betroffene haben in ihrer Vergangenheit schwerwiegende traumatische Ereignisse erlebt, die in direktem Zusammenhang mit ihrer Erkrankung stehen können. In diesem Artikel erfährst du, wie Borderline und Traumata zusammenhängen und warum es wichtig ist, vergangene traumatische Erlebnisse therapeutisch aufzuarbeiten.


  1. Trauma und Borderline – Ein enger Zusammenhang
  2. Traumatische Erlebnisse in der Kindheit als Risikofaktor
  3. Darum ist die Trauma-Aufarbeitung bei Borderline entscheidend
  4. Therapeutische Ansätze zur Trauma-Aufarbeitung bei Borderline
  5. Tipps für Angehörige, Freunde und Freundinnen
  6. Fazit

Trauma und Borderline – Ein enger Zusammenhang

Verschiedene Studien zeigen, dass zwischen 30 und 80 Prozent der Menschen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung auch die Kriterien einer traumatischen Störung erfüllen oder über frühere belastende Erfahrungen berichten. Fachleute bestätigen, dass zwar nicht jeder Borderline-Betroffene ein Trauma im klassischen Sinn erlebt hat. Auch Erlebnisse, die nicht unbedingt der typischen Definition von Trauma entsprechen, aber dennoch als Belastung empfunden werden, können sogar neurobiologisch bleibende Spuren im Gehirn hinterlassen und das Risiko erhöhen, psychische Erkrankungen wie eine Borderline-Persönlichkeitsstörung zu entwickeln.

Traumatische Erlebnisse in der Kindheit als Risikofaktor

Ein wesentlicher Faktor für die Entstehung von Borderline können frühe traumatische Erlebnisse sein. Viele Betroffene berichten von belastenden Kindheitserfahrungen, die sich bis ins Erwachsenenalter auswirken.

Zur Unterscheidung von Traumata wird häufig in zwei Typen eingeteilt:

  • Typ-I-Trauma: Einzelne Erlebnisse wie Unfälle, Überfälle, kurze Naturkatastrophen oder einmalige sexuelle Übergriffe.
  • Typ-II-Trauma: Wiederholte oder lang anhaltende traumatische Ereignisse, wie andauernde Naturkatastrophen, Entwertung sowie sexuelle oder körperliche Gewalt – sowohl im familiären Umfeld als auch außerhalb.

Auch wenn frühe Traumatisierungen für die Entwicklung einer Borderline-Persönlichkeitsstörung entscheidend sein können, sind sie keine zwingende Voraussetzung. Borderline kann auch ohne ein klares Trauma entstehen, wenngleich belastende Erfahrungen das Risiko deutlich erhöhen.

Ein traumatisches Erlebnis kann sich auf die Betroffenen auf unterschiedliche Weise auswirken:

  • Häufige Erfahrungen von Missbrauch oder Vernachlässigung
    Studien zeigen, dass viele Menschen mit BPS in ihrer Kindheit Missbrauch oder Vernachlässigung durch ihnen wichtige Bezugspersonen erlebt haben. Diese traumatischen Erlebnisse hinterlassen tiefe emotionale Wunden, die die Entwicklung der Persönlichkeit nachhaltig beeinflussen und zu den typischen Symptomen einer Borderline-Persönlichkeitsstörung beitragen können.
  • Fehlende emotionale Sicherheit
    In einem stabilen, unterstützenden Umfeld haben Kinder die Möglichkeit, gesunde Bewältigungsstrategien für negative Emotionen zu entwickeln. Doch wenn emotionale Sicherheit fehlt oder traumatische Ereignisse erlebt werden, kann dies zu einer Überempfindlichkeit und intensiver Angst vor dem Verlassenwerden führen – was wiederum in Schwierigkeiten in zwischenmenschlichen Beziehungen enden kann.
  • Veränderte Wahrnehmung und emotionale Verarbeitung 
    Traumata beeinflussen, wie wir die Welt wahrnehmen und auf emotionaler Ebene verarbeiten. Viele Menschen mit Borderline haben Schwierigkeiten, Emotionen in einem gesunden Maß zu regulieren und neigen zu intensiven, oft unkontrollierbaren Gefühlsausbrüchen. Dies kann ein direktes Ergebnis traumatischer Erlebnisse sein, die zu einer ständigen "Alarmbereitschaft" des Nervensystems führen.

Darum ist die Trauma-Aufarbeitung bei Borderline entscheidend

Die Symptome der Borderline-Persönlichkeitsstörung sind oft eng mit den traumatischen Erfahrungen der Vergangenheit verbunden. Eine Trauma-Aufarbeitung ist daher nicht nur hilfreich, sondern notwendig, um langfristige Besserung hinsichtlich der Erkrankung zu erreichen. Die Arbeit am Trauma kann dabei helfen:

  • Die Intensität der Emotionen zu reduzieren: Durch das Aufarbeiten des Traumas lernen Betroffene, ihre Gefühle besser zu verstehen und zu regulieren. So können sie emotionale "Trigger" erkennen und den intensiven Gefühlsausbrüchen entgegenwirken.
  • Beziehungen zu stabilisieren: Die Angst vor dem Verlassenwerden und instabile Beziehungen sind bei Borderline häufig. Durch eine professionelle Trauma-Verarbeitung kann das Vertrauen in andere Menschen langsam wieder aufgebaut werden.
  • Selbstführsorge zu fördern: Betroffene lernen, sich selbst zu akzeptieren und gesunde Strategien zur Bewältigung emotionaler Krisen zu entwickeln. Das Trauma ist ein Teil der Vergangenheit, das sie nicht mehr vollständig kontrolliert. Es ist wichtig, sich auf die eigenen Ressourcen zu fokussieren und diese aktiv zu fördern.

Therapeutische Ansätze zur Trauma-Aufarbeitung bei Borderline

  1. Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT)
    Die Dialektisch-Behaviorale Therapie ist eine bewährte Methode, die ursprünglich speziell für Borderline-Betroffene entwickelt wurde. Während DBT sich zunächst auf die Stabilisierung und Kontrolle von Emotionen fokussiert, kann sie auch zur Trauma-Aufarbeitung eingesetzt werden, wenn eine erste emotionale Stabilität erreicht ist.
  2. Traumafokussierte kognitive Verhaltenstherapie (TF-KVT)
    TF-KVT kombiniert die Prinzipien der kognitiven Verhaltenstherapie mit traumafokussierten Techniken. Sie hilft Betroffenen, die negativen Gedanken und Überzeugungen, die durch das Trauma entstanden sind, zu erkennen und durch positive, realistische Denkmuster zu ersetzen.
  3. Schema-Therapie
    Diese Form der Therapie geht davon aus, dass tief verwurzelte "Schemata" (negative Überzeugungen und Muster) durch das Trauma entstanden sind. Die Schema-Therapie hilft dabei, diese Muster zu identifizieren und durch gesunde Alternativen zu ersetzen, wodurch Betroffene lernen, konstruktiv mit ihren Emotionen und Beziehungen umzugehen. Auch priovi, als weltweit erste Online-Therapie für Borderline-Betroffene, bedient sich an den Techniken der Schematherapie und stellt eine wichtige sowie wirksame Versorgungsoption für Patienten und Patientinnen dar.

Tipps für Angehörige, Freunde und Freundinnen

  1. Verständnis und Geduld zeigen
    Für Menschen mit Borderline und Trauma ist der Heilungsprozess ein langer Weg. Verständnis und Geduld sind essentiell, um sie auf diesem Weg zu unterstützen.
  2. Zur professionellen Unterstützung ermutigen
    Angehörige können dabei helfen, die Scheu vor Therapie abzubauen und Betroffene zu ermutigen, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Die Trauma-Therapie ist intensiv und benötigt Zeit, kann aber eine immense Erleichterung bringen.
  3. Stabilität und Sicherheit bieten
    Ein stabiles Umfeld kann den Heilungsprozess fördern. Das Gefühl von Sicherheit und emotionaler Unterstützung ist für Betroffene eine wichtige Grundlage, um sich auf die Trauma-Verarbeitung einlassen zu können.

Fazit - Borderline & Trauma

Die Verbindung zwischen einer Borderline-Persönlichkeitsstörung und traumatischen Erfahrungen ist eng und oft tief verwurzelt. Heute weiß man, dass Traumata in der Entwicklung von Borderline zwar wichtig, aber nicht grundsätzlich zwingend sind. Durch die Trauma-Aufarbeitung können Betroffene die Kontrolle über ihre Emotionen zurückgewinnen und langfristig eine bessere Lebensqualität erreichen. Mittlerweile setzen therapeutische Hilfsangebote auch gezielt an den Symptomen der Traumatisierung an und verringern nicht mehr nur die Affekte der Borderline-Störung. Der Weg ist nicht leicht und benötigt viel Zeit, aber mit den richtigen therapeutischen Ansätzen und einer unterstützenden Umgebung kann Heilung möglich sein.



Leave a Reply


Related Posts

priovi Team 15 November, 2024

Borderline & Alkohol – Der Teufelskreis der Sucht

Menschen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung stehen oft vor zahlreichen Herausforderungen…

priovi Team 18 Oktober, 2024

Überkompensation bei Borderline - Wie du damit umgehen kannst

Überkompensation ist ein Verhaltensmuster, das häufig von Menschen mit einer…

priovi Team 18 Oktober, 2024

Borderline-Persönlichkeitsstörung - diese Borderlinetypen gibt es

Die emotional instabile Persönlichkeitsstörung wird in der klinischen Diagnostik in zwei…